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ÖPNV ausbauen für alle!

Wie es sein könnte: Mit mehr Bussen und Bahnen kommen wir alle ans Ziel und schützen das Klima. In den Städten und auf dem Land fahren die öffentlichen Verkehrsmittel künftig so regelmäßig und pünktlich, dass wir alle gut und bequem ankommen. Mitfahren scheitert nicht mehr an hohen Ticketpreisen, wenn der ÖPNV für alle kostenlos wird. Dazu bauen wir viele neue Bahnen, Busse und Schienenwege. Und wir schaffen gute, tariflich abgesicherte Arbeitsplätze. So geht die Verkehrswende für alle!

Die Fahrzeugherstellung in Deutschland ist bisher auf den Individualverkehr ausgerichtet, also auf Autos. Mit den Kapazitäten und dem Personal können wir Busse und Bahnen bauen statt Autos und SUVs. Die Fahrzeugunternehmen haben flächendeckend angekündigt, Leute zu entlassen. Es gibt also auf jeden Fall ungenutzte Produktionskapazitäten.

Es braucht aber eine langfristig verbindliche Entscheidung für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, damit die privaten Unternehmen in der Bus- und Bahnherstellung zusätzliche Kapazitäten aufbauen. Sie müssen sich darauf verlassen können, dass diese auch in einigen Jahren tatsächlich nachgefragt werden. Deswegen ist die politische Entscheidung für den flächendeckenden Ausbau des Bus- und Bahnnetzes der erste wichtige Schritt, um die erforderlichen Produktionskapazitäten schaffen zu können.

Falls die privaten Unternehmen trotzdem keine ausreichenden Kapazitäten schaffen können, organisieren wir die Fahrzeugproduktion in öffentlicher Hand. Genügend qualifizierte Arbeitskräfte in der Fahrzeugindustrie gibt es. Die freuen sich über zukunftssichere, tariflich abgesicherte Arbeitsplätze.

Der Nahverkehr soll  in mehreren Schritten kostenlos für alle werden, so dass parallel die Kapazitäten ausgebaut werden können. Sofort dürfen Schüler*innen, Azubis, Erwerbslose und Rentner*innen kostenlos fahren – also diejenigen, die in der Regel wenig Geld haben und für ihre Fortbewegung meist auf den ÖPNV angewiesen sind. Im zweiten und dritten Schritt schaffen wir vergünstigte Jahreskarten für alle und schließlich einen generell kostenloser Nahverkehr.

Die Anzahl der Linien und die Häufigkeit der Fahrten muss ausgeweitet werden, um alle Leute mit dem ÖPNV zu transportieren. Das ist auch logisch, da heutzutage viele Menschen mit dem Auto unterwegs sind und wir möchten, dass sie künftig das Auto nicht mehr brauchen. Das Nahverkehrsangebot muss also ohnehin deutlich ausgebaut werden.

Durch den Einsatz von Bussen können schnell neue Linien geschaffen werden, die später durch Straßenbahnen ersetzt werden. Mit Straßenbahnlinien können deutlich mehr Menschen transportiert werden und sie sind umweltfreundlicher als Busse, sie haben aber eine längere Bauzeit. Allerdings: Selbst alte Dieselbusse sind umweltfreundlicher als jedes Auto, falls die Industrie nicht genügend Elektrobusse liefern kann. Insofern kann mit Bussen schnell das Nahverkehrsangebot erweitert werden. Sind die Straßenbahnlinien dann fertig gebaut, können die Busse in weniger dicht besiedelten Gegenden eingesetzt werden, in denen der Bau von Straßenbahnen nicht lohnt.

Um mehr Busse und Straßenbahnen zügig fahren zu lassen, braucht es aber auch mehr Platz auf den Straßen, der derzeit häufig schon durch Autos belegt ist. Deswegen ist es wichtig, die Möglichkeit und einen Anreiz zum Umstieg vom Auto zu schaffen, um die Straßen vom Autoverkehr zu entlasten und so Platz für mehr ÖPNV, Fußgänger*innen und Radfahrerende zu schaffen.

Die Arbeitsbedingungen und Löhne im Nahverkehr wurden in den letzten 20 Jahren immer weiter verschlechtert, weil durch die Senkung der Steuern für Unternehmen und Wohlhabende in den Kommunen das Geld fehlt. Deshalb finden die Verkehrsbetriebe nicht so leicht Leute, weil die Arbeit für Menschen auf Stellensuche wenig attraktiv ist.

Mit anständiger Bezahlung und guten Arbeitsbedingungen arbeiten Menschen gern im Nahverkehr. Auch gibt es genügend Kolleginnen und Kollegen in der Autoindustrie oder der Kohle, die Sorge vor Entlassungen haben und sich über gute Alternativen freuen.

Dazu brauchen wir eine ausreichende öffentliche Finanzierung des Nahverkehrs. Die Gewerkschaft Ver.di verhandelt im Herbst 2020 über die Tarifverträge und Arbeitsbedingungen bei den kommunalen Verkehrsbetrieben. Dabei geht es darum, die Arbeit dort wieder attraktiv zu machen. DIE LINKE unterstützt die Kämpfe der Kolleg*innen. Wir setzen uns dafür ein, dass die Kommunen vom Bund ausreichend Mittel bekommen, um das zu finanzieren.

Die Arbeit im ÖPNV findet rund um die Uhr an sieben Tagen pro Woche statt. Denn der Bus soll natürlich auch nachts und am Wochenende fahren. Wie belastend das für die Beschäftigten ist, liegt aber an der Ausgestaltung, der Finanzierung und der Anzahl der eingesetzten Arbeitskräfte. Und da wurde in den letzten Jahrzehnten stetig gespart. Damit sollte die Privatisierung der Verkehrsbetriebe verhindert werden. Es wurde dafür aber das Personal immer weiter reduziert, so dass die Arbeit immer stressiger wurde. Die Kolleginnen und Kollegen müssen immer mehr Tätigkeiten gleichzeitig machen und können selbst ihnen zustehende Pausen häufig nicht nehmen, um den Fahrplan einzuhalten.

Schichten von 12 bis 14 Stunden täglich kommen inzwischen häufig vor. Die Schichten werden "geteilt", so dass dieselbe Arbeitskraft morgens und abends den Bus fahren kann. Die Stunden dazwischen gelten als "Freizeit" und werden nicht bezahlt, egal ob die Busfahrerin oder der Busfahrer die Stunden wenigstens zu Hause verbringen und privat nutzen kann oder irgendwo an einer Endhaltestelle fern von zu Hause ist. So sparen die Verkehrsunternehmen Arbeitskräfte und Geld – auf Kosten der Beschäftigten, die ihre Freizeit und ihr Familienleben so viel schwerer organisieren können. Schichtarbeit ist immer belastend. Aber mit ausreichend vielen Arbeitskräften lassen sich Schichtpläne gesundheitsschonend und halbwegs familienfreundlich gestalten. Genau das wurde aber durch die Stellenstreichungen der letzten 20 Jahre immer mehr unmöglich. Die Zahl der Beschäftigten im Nahverkehr ist seit 2000 um fast ein Fünftel gesunken. Gleichzeitig transportieren weniger Beschäftigte aber deutlich mehr Fahrgäste.

Auch die Bezahlung wurde verschlechtert. Schichtzulagen und Belastungsausgleiche wurden gesenkt. Die Beschäftigten der Verkehrsbetriebe wurden aus dem öffentlichen Dienst ausgegliedert und eigens ein neuer Tarifbereich für den Nahverkehr gegründet, um das möglich zu machen.

100.000 Beschäftigte müssen in den nächsten 10 Jahren neu eingestellt werden, um diejenigen zu ersetzen, die in Rente gehen und um gute Arbeitsbedingungen für alle zu schaffen. 70.000 weitere werden gebraucht, damit wir das Nahverkehrsangebot verdoppeln können.

Für den Verkehr wird auch derzeit viel öffentliches Geld ausgegeben, allerdings für den Auto- und Flugverkehr. Dieses Geld soll künftig vorrangig in den öffentlichen Nahverkehr fließen und so allen zu Gute kommen.

Wir rechnen mit jährlichen Kosten von etwa 8 Milliarden Euro für den Ausbau der Linien und die zusätzlichen Betriebskosten. Weitere 11 Milliarden Euro jährlich sind erforderlich für den Ersatz der gesamten Fahrscheineinnahmen im ÖPNV deutschlandweit.

Zum Vergleich: 11 Milliarden Euro kostet auch die Senkung der Erneuerbare-Energien-Umlage, die die Bundesregierung im Konjunkturpaket im Juni 2020 beschlossen hat, um die Umstellung der Industrie auf Elektro-Autos, Wasserstoff und Digitalisierung zu fördern.

3 Milliarden Euro im Jahr kostet die Steuerzahler derzeit die steuerliche Förderung von Dienstwagen, die meist nur besser verdienenden zustehen. 8 Milliarden Euro jährlich kostet die steuerliche Begünstigung von Dieselfahrzeugen, die den Absatz der deutschen Autokonzerne fördern soll. Über 12 Milliarden Euro jährlich kostet die Steuerbefreiung des Flugverkehrs. Und 2 Milliarden Euro werden jedes Jahr in verzichtbare Straßenbauprojekte investiert, die nur deshalb nötig sind, weil der öffentliche Verkehr schlecht ausgestattet ist. Mindestens 25 Milliarden Euro Steuergelder lassen sich insgesamt durch den Verzicht auf umweltschädliche Verkehrssubventionen jedes Jahr anders verwenden.

Zusätzlich wollen wir große Vermögen und Erbschaften wieder angemessen besteuern, um damit unter anderen ein gutes Busnetz und ordentliche Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten zu finanzieren. Dazu sollen auch die Unternehmen einen Beitrag leisten. Denn die meisten Fahrten führen ohnehin zur Arbeit und zum Einkaufen – nützen also ganz direkt den Unternehmen. Eine Abgabe für Unternehmen zur Finanzierung des Nahverkehrs gibt es unter anderem in Frankreich. Dort werden ein Drittel der gesamten Kosten des ÖPNV daraus finanziert.

Es ist also nicht eine Frage des Geldes. Sondern es braucht den politischen Willen, das umzusetzen.